Unterfamilie Boiginae
Giftschlangen im Terrarium
Ein heißes Eisen
und viel diskutiertes Thema ist immer wieder die Haltung von Giftschlangen im
privaten Bereich. Grundsätzlich haben alle Gegner dieses gefährlichen Hobbys
recht, wenn sie sagen, Giftschlangen gehören nicht in den häuslichen Bereich.
Ich selbst sind auch gegen die Haltung von giftigen Schlangen in der Wohnung.
Nur Institute, wissenschaftliche Einrichtungen sowie Schlangenfarmen erfüllen
die Voraussetzungen, solche Tiere zu pflegen; sie verfügen über das Wissen im
Umgang mit den Tieren und im Bedarfsfall sofort über die entsprechenden Seren.
Dabei soll hier nicht außer acht gelassen werden, daß es auch Privatpersonen
gibt, die ganz gut mit diesen Tieren umgehen können und richtige Spezialisten
sind. Aber was ist, wenn diese Leute einmal krank werden und anderen die Pflege
dieser Tiere überlassen müssen? Eine Kobra oder Klapperschlange wirkt am
Anfang, wenn man sich das Tier angeschafft hat, ganz gefährlich. Sie zischt,
beißt und zeigt auch sonst, daß man sie auf keinen Fall anfassen oder in ihre
Nähe kommen darf. Mit der Zeit wird aber auch diese Schlange zutraulich, und in
manchen Fällen macht sie auf den Pfleger einen gutmütigen Eindruck. Es beginnt
der Prozeß der Gewöhnung, und das führt immer wieder zu Unfällen, nicht selten
mit tödlichem Ausgang, wie man
gelegentlich in
den Tageszeitungen lesen kann. Die Giftschlange ist vielleicht in einigen
Fällen zahm geworden, und der Pfleger darf durchaus auch einmal im Terrarium
hantieren. Doch wenn er versehentlich zu schnell und zu hastig hineinlangt,
kann es geschehen, daß die Schlange aus Angst zubeißt. Sie verhält sich
gewissermaßen wie eine Zeitbombe: man weiß nie genau, wann sie losgeht
beziehungsweise zubeißt. Wie unberechenbar Giftschlangen sind, kann man immer
wieder daran ermessen, daß Giftschlangenpfleger, die ein Tier drei, fünf oder
sogar zehn Jahre gut gepflegt haben und bei denen es prächtig gediehen ist,
dann doch eines Tages von ihrem Pflegling getötet worden sind. Es soll hier von
der Giftschlangenhaltung abgeraten werden. Jeder sollte sich genau überlegen,
was er sich da anschafft und welche Konsequenzen dies haben kann. Eine
Giftschlange kann das ganze Haus verunsichern. Der Nachbar kann nicht mehr
schlafen, weil er Angst hat, die Schlange könnte ihn nachts besuchen.
Wer giftige
Schlangen pflegt, braucht ein Terrarium, das vor dem Zugriff anderer möglichst
mit einem Schloß gesichert ist. Es sollte so konstruiert sein, daß der Raum mit
einer Scheibe oder Blechplatte - die eingeschoben werden kann abzuteilen ist.
Man kann so das Tier in die eine Hälfte dirigieren und die andere Hälfte des
Behälters säubern und dann die Schlange in die saubere Hälfte entlassen und den
Rest des Behälters reinigen. Bewährt haben sich auch Schlupfkästchen mit einer
sicheren Tür, die so verschlossen wird, daß die Schlange sie nicht von selbst
öffnen kann. Es kann auch eine Schiebetür sein, die mit dem Schlangenhaken vor
das Schlupfloch geschoben und dort arretiert werden kann. Bevor man mit
Säuberungsarbeiten beginnt, muß die Schlange im Schlupfkästchen oder im anderen
Terrarienteil sein. Das erfordert eine Menge Geduld. Am besten nützt man die
Gelegenheit, wenn die Tiere von selbst den gewünschten Ort aufgesucht haben,
zum Beispiel zum Schlafen oder Verstecken. All diese Arbeiten können nur gut
durchgeführt werden, wenn man sich mit dem Schlangenhaken von außen gesichert
hat. Ganz wichtig ist es auch zu wissen, daß man einer giftigen Schlange kaum
helfen kann, wenn sie einmal Schwierigkeiten mit der Häutung hat, von Zecken
befallen wurde oder wenn Wunden zu behandeln sind. Man muß ihr sehr weh tun,
bis man sie brutal am Kopf pakken und dann endlich helfen kann. Aber selbst
dieser Griff kann für den Nichtfachmann den Tod bedeuten. Auch aus diesen
Gründen ist die Haltung von Giftschlangen für das Tier und für den Menschen
problematisch. Die Faszination mag wohl mehr in der lebensbedrohlichen
Gefährlichkeit zu suchen sein.
Auf den
Kapiteln werden einige Trugnattern und
Giftschlangen vorgestellt - es sind solche Arten, die immer wieder gepflegt
werden und auch noch häufig im Handel sind.
Damit sich der Terrarianer ein Bild über die Familien, Gattungen und Arten
machen kann, wird jeweils in den Vorspanntexten etwas Systematik erwähnt. Man
muß sich beim Kauf einer Schlange immer vergewissern, was man einkauft. Zu
schnell wird oft eine Trugnatter um ihrer Schönheit und leichten Haltung Willen
angeschafft.
Wir
unterscheiden bei den Trugnattern zwei Gruppen, die Wassertrugnattern
(Homalopsinae) und die Landtrugnattern (Bolginae). In Terrarien werden meistens
die Landtrugnattern der Unterfamilie Boiginae gepflegt. Zu dieser Unterfamilie
zählen folgende Schlangengattungen mit ihren unterschiedlichen Artenzahlen: Die
Gattung der Nachtbaumnattern (Boiga) mit zwei Arten, der
Mangroven-Nachtbaumnatter (B. dendrophila) und B. cynodon; die Gattung Langaha
mit der Blattnasennatter (L. nasuta); die Gattung Eteirodipsas (ohne deutschen
Namen) mit nur einer Art, der E. colubrina; die Gattung Telescopus mit der
Katzennatter (T. fallax); die Gattung Macroprotodon mit der Kapuzennatter (M.
cucultatus); die Gattung Leptodeira mit der Katzenaugennatter (L. annulata);
die Gattung Imantodes mit der Riemennatter (i. cenchoa); die Gattung Oxyrhopus
mit der Mondnatter (0. trigeminus); die Gattung Cletia mit einer Art, der
Mussurana (C. clefia); die Gattung der Peitschennattern (Ahaetulia) mit den
Baumschnüfflern (A. mycterizans) und A. prasina; die Gattung Thelotornis mit der
Grauen Baumnatter (T. kirtlandii); die Gattung Spitznattern (Oxybetis) mit zwei
Arten, Glanzspitznatter (0. fulgidus) und Erzspitznatter(0. acuminatus); die
Gattung der Schmuckbaumnattern (Chrysopetea) mit zwei bekannten Arten, der
Indischen Schmuckbaumschlange (C. ornata) und der Paradies Schmuckbaumschlange
(C. paradisi); die Gattung Malpolon mit zwei Arten, der Europäischen
Eidechsennatter (M. monspessulanus monspessulanus) und der Unterart M.
monspessulanus insignitus. Schließlich darf eine Trugnatter nicht fehlen, die
südafrikanische Boomslang (Dispholidustypus), die auch dem Menschen gefährlich
werden kann. Mit ihm geht man wie mit einer ganz gefährlichen Giftschlange um.
Diese Trugnatter greift mit weit geöffnetem Maul an. Das Gift der Trugnattern
ist in der Regel ein Nervengift und lähmt das Atemzentrum.
Der Terrarianer
bekommt häufiger mit Trugnattern Kontakt, ohne daß er weiß, daß er es mit einer
giftigen Schlange zu tun hat. Sie sehen hübsch und harmlos aus, und weil viele Arten nur selten oder kaum
beißen, werden solche Schlangen immer wieder angeboten und erworben. Aber bevor
man sich nicht genau über eine Schlange informiert hat, sollte man diese auch
keinesfalls anfassen. Trugnattern sind bis auf wenige Gattungen nicht
lebensgefährlich, und Todesfälle sind selten; aber es ist große Vorsicht im
Umgang mit ihnen geboten. An einem Trugnatternbiß starb auch ein bekannter
Herpetologe, der viele Jahre seines Lebens mit diesen Tieren umgegangen ist. Es
gibt gegen Trugnattembisse kein Serum, und das ist das Wichtigste, was zu
beachten ist, wenn man diese Tiere pflegen will. Der Boomslang aus Süd-Afrika
sind auch schon Menschen zum Opfer gefallen. Einige Arten von Trugnattern, die
zu den meistgepflegten Schlangenarten zählen, sollen im einzelnen vorgestellt
werden.
Mangroven-Nachtbaumnatter
(Boiga dendrophila)
Die
Mangroven-Nachtbaumnatter stammt aus den Wäldern Südostasiens. Wie ihr Name
vermuten läßt, kommt sie vor allem in den küstennahen Mangrovensümpfen vor. Die
Malaien nennen sie „ Ularburong“. Sie erreicht etwa eine Länge von 2.5 m. Die
Terrarieneinrichtung muß darauf abgestimmt sein. Vor allem müssen genügend
dicke, waagerechte Äste vorhanden sein, sonst legt sich diese Schlange auf den
feuchten Boden. Schäden an den Bauchschienen können die Folge sein. Das Tier
hat ein unberechenbares Temperament: tagelang liegt es ruhig und läßt sich
nicht stören, dann wieder wird scheinbar grundlos zugebissen. Wegen der Größe
hat die Schlange doch eine beachtliche Reichweite. Eindringlich ist anzuraten,
so vorsichtig wie mit einer richtigen Giftschlange mit ihr umzugehen. Sie zählt
zu den bissigen Trugnattern, und Unfälle, vor allem bei den malaiischen
Fängern, sind wiederholt bekannt geworden. Zwar waren die Bisse nicht immer
tödlich, die Opfer mußten aber wochenlang behandelt werden. Als Nahrung bietet
man je nach Größe Mäuse, Ratten oder Küken an. Meist werden sie erst in der
Dunkelheit angenommen. Da die Schlange rasch wächst und schnell verdaut, muß
das Nahrungsangebot reichlich sein. Die Fortpflanzung im Terrarium ist möglich,
das Gelege besteht aus ca. 8-12 Eiern und wird nicht vergraben. Mit anderen
Schlangen kann man die Mangroven-Nachtbaumnatter nicht zusammen halten, diese
werden zwar nicht gefressen, aber gebissen, so daß sie an den Bißfolgen sterben
können.
Baumschnüffler (Ahaetulla prasina)
Eine weitere
Trugnatter aus dem südostasiatischen Raum ist der Baumschnüffler. Diese überaus
hübsche und faszinierende Schlange ist herrlich grün gefärbt mit einem
rötlichen Anflug auf dem Rücken. Die Haut glänzt nicht, sondern ist samtmatt.
Bei einer Länge von 1,5 m ist die Schlange so dünn, daß sie mit einer Schnur
(Peitschenschnur) verglichen wird. Man nennt die Gattung „Ahaetulla“ Peitschennattern.
Ihr geringes Gewicht schont die Pflanzen, so daß auch zarte Gewächse verwendet
werden können. Für das Klettergeäst, das selten verlassen wird, sind alte
Buchenhecken sehr gut geeignet. Die Temperaturansprüche liegen zwischen 24-28°C
tagsüber, nachts sollte man die Luft um ca. 5°C abkühlen lassen. Leider ist der
Baumschnüffler nicht ohne Vorbehalt als Terrarientier zu empfehlen, obwohl er
billig ist und häufig angeboten wird. Die Sterblichkeitsrate bei frisch
importierten Tieren ist leider erschreckend hoch. Zum anderen nehmen Wildfänge
fast nur lebende Echsen (Eidechsen und Geckos) als Nahrung an. Die Umgewöhnung
auf junge Mäuse dauert meist viele Monate und gelingt selten. Ein einzelner
Baumschnüffler braucht in seinem Leben viele Echsen; sie in solch großer Zahl
zu verfüttern, wäre verantwortungslos. Auch bei uns sind die Eidechsen bereits
so selten geworden, daß die Restbestände nicht mehr als Futterquelle benutzt
werden dürfen, abgesehen davon, daß es generell schwierig ist, auch in den Wintermonaten
genügend Futterechsen beschaffen zu können. Eingewöhnte, mäusefressende
Baumschnüffler sind lange Jahre im Terrarium haltbar. Die Haltung von zwei
Tieren in einem Behälter in der Größe 100x100x50cm dürfte optimal sein. Der
Baumschnüffler bekommt lebende Junge jedoch ist über eine echte Nachzucht in
der Gefangenschaft bisher nichts bekannt geworden.
Schmuckbaumschlange
(Chrysopelea ornata)
Im weiten Gebiet Südostasiens,
westlich bis nach Ceylon und auf der gesamten Inselwelt lebt die Schmuckbaumschlange,
eine Trugnatter der Unterfamilie Landtrugnattern (Boiginae). Sie ist eine sehr
flinke und lebhafte Schlange, bleibt schlank und wird bis 1,5 m lang. Sie zählt
zu den „Fliegenden Schlangen“, die natürlich nicht fliegen, sondern mehr vom
Baum zum Boden gleiten. Dieses Gleiten wird ermöglicht durch ein Abspreizen der
Körperunterseite, welches bis zur hohlen Rinne ausgeprägt sein kann. Sie ist
eine sehr schöne Schlange. Für die Terrariengröße und Einrichtung gilt das
gleiche wie beim Baumschnüffler. Der Temperaturanspruch liegt bei ihr etwas
höher. Im Verhältnis zu ihrer Größe braucht die Schmuckbaumschlange viel
Futter, zwangsläufig machen sich ihre Ausscheidungen bei mangelnder Sauberkeit
bald durch unangenehmen Geruch bemerkbar. Als Beutetiere kann man halbwüchsige
Mäuse füttern. Frisch importierte Schmuckbaumschlangen müssen an die Nagetiere
gewöhnt werden, denn in der Natur ernähren sie sich von kleinen Eidechsen,
Geckos und wahrscheinlich kleinen Vögeln.
Eine Paarhaltung
ist anzustreben, das Weibchen legt die Eier im Bodengrund ab. Eine
Vergesellschaftung mit anderen Schlangen ist nicht empfehlenswert, bei
Trugnattern muß immer mit unangenehmen Überraschungen gerechnet werden, zudem
ist die Schmuckbaumschlange sehr bissig und wird leicht nervös. Schnell wird
eine andere kleinere Schlange mit Futter verwechselt und verspeist. Von den
Schmuckbaumschlangen, auch Schmuckbaumnattern genannt, sind zwei Arten ab und
zu im Handel, die vom Laien häufig verwechselt werden. Die zweite Art ist die
Paradies Schmuckbaumnatter (Chrysopelea paradisi). Sie unterscheidet sich durch
eine cremefarbige Grundfarbe mit kräftigem schwarzem Netzmuster (die Schuppen
sind umrandet), dunklen Querbinden und auf dem Rücken liegenden roten Flecken
von der Schmuckbaumschlange. Sie soll besser gleiten (fliegen) können als die
Schmuckbaumnatter(Chrysopelea ornate); dazu kann sie den Rücken zur Bauchseite
hin abplatten, den Kopf hält sie wie der Baumschnüffler leicht erhoben, und mit
dem Schwanz wird ausbalanciert. Die durch die Abplattung entstandene
Körperrinne ermöglicht der Schlange ein elegantes Zu-Boden-Schweben.
Erzspitznatter (Oxybelis aeneus)
Die
Erzspitznatter ist eine schlanke Baumnatter aus den mittel- und
südamerikanischen Urwäldern und gehört zu den Trugnattern der Unterfamilie
Boiginae. Sie erreicht etwa die Größe der Schmuckbaumnatter, auch die Ansprüche
an das Terrarium und die Temperatur sind ungefähr die gleichen. Natürlich kann
man auch die gleichen Pflanzenarten wählen, wie sie für baumbewohnende Arten
empfohlen werden. Biotopmäßig richtig sind amerikanische Pflanzenarten, zum
Beispiel Bromelien, mit denen sich sehr schön Terrarien einrichten lassen. Ein
verzweigter Kletterast sollte nicht fehlen. Welche Futtertiere in der Natur
bevorzugt erbeutet werden, ist nicht ganz klar, die verschiedenen Angaben sind
widersprüchlich. Ein Exemplar nahm nur lebende kleine Fische (Guppys, Platys),
die ein leicht zu beschaffendes Futter für viele Terrarientiere darstellen. Da
sie zu den Trugnattern gehört, ist im Umgang mit dieser hübschen Schlange
Vorsicht angebracht.
Europäische Eidechsennatter
(Malpolon
monspessulanus)
In trockenen,
warmen Gebieten von West-Asien, Nord-Afrika und Süd-Europa kommt die
Europäische Eidechsennatter in zwei Rassen vor: Malpolon monspessulanus
monspessulanus von Nord-West Italien, der französischen Mittelmeerküste über
die Pyrenäenhalbinsel bis nach Nordafrika; Malpolon monspessulanus insignitus
vom Balkan, Griechenland bis Nordost-Afrika. Mit über2 m kann sie eine ansehnliche
Größe erreichen, zudem ist sie sehr temperamentvoll. Das Terrarium für sie muß
geräumig sein, der Bodengrund besteht zweckmäßigerweise aus Sand und größeren
Steinen. Die Einrichtung darf einfach sein, ein kleiner Steinaufbau, etwas
harte Gräser der haltbaren Art, zum Beispiel das Borstgras (Nardus stricta) und
der Schafschwingel (Festuca ovina), dazu noch verschiedene dürre Äste und
Wurzeln. Dem Biotop entsprechend reicht tagsüber eine Lufttemperatur von
23-28°C. Eine Stelle im Terrarium sollte aber mit einem hellen Strahler über
30°C aufgeheizt werden. Die Eidechsennatter liebt einen warmen hellen Standort.
Schon ihr Name deutet an, daß sie etwas mit Eidechsen zu tun hat, und zwar
dienen ihr diese in der Freiheit zur Nahrung. Ebenso werden auch andere
kleinere Schlangen, Mäuse und Vögel verzehrt. In der Gefangenschaft ernähren
wir die Eidechsennatter mit Mäusen und anderen Nagetieren. Sie ist kein ideales
Terrarientier, denn sie zählt zu den bissigen Arten. Außerdem ist sie eine
Trugnatter, und besonders große Exemplare können dem Menschen gefährlich
werden.