Familie Boidae
Als die
urtümlichsten Schlangen gelten die Riesenschlangen, welche noch Reste der
Hinterfüße (Afterklauen) und des Beckens besitzen. Auch sind noch beide
Lungenflügel ausgebildet. Bis zu 435Wirbel, die höchste Zahl im ganzen
Tierreich, können sie besitzen. Zwar erreichen einige Riesenschlangen
beachtliche Ausmaße, ebenso gibt es jedoch auch viele mittlere, ja einige
ausgesprochen kleine Vertreter.
In folgende vier
Unterfamilien werden die Riesenschlangen unterteilt: Spitzkopfpythons
(Loxoceminae), Pythonschlangen (Pythoninae), Boaschlangen (Bolnae) und
Bolyer-Schlangen (Bolyerlinae). Verbreitet sind sie in den Tropen und
Subtropen. Sandboas der Gattung Eryx kommen bis Südosteuropa vor. Ihre Beute,
es sind Wirbeltiere entsprechender Größe, wird mit den in großer Anzahl
vorhandenen spitzen Zähnen blitzschnell gepackt und durch gleichzeitiges
Umschlingen getötet. Erst wenn das Herz des Beutetieres zu schlagen aufhört,
läßt die Riesenschlange ihr Opfer los. Eifrig züngelnd sucht sie den Kopf, um
dort den Schlingakt zu beginnen. Für die Schlange ist es wichtig, am Kopf der
Beute anzufangen, damit Haare oder Federn gut gleiten und sich nicht sträuben.
Junge Schlangen fangen manchmal hinten an und müssen dann ihre Nahrung wieder
auswürgen, weil sie diese nicht vollends hinunterbekommen.
Boas bringen
lebende Junge zur Welt, das heißt, die Eier entwickeln sich im Mutterleib. Bei
der Geburt reißt die Eihülle, die nur ein dünnes Häutchen ist. Pythons legen
Eier, welche vom Weibchen umschlungen und während gut zwei Monaten
„ausgebrütet“ werden. Dieses Brüten ist immer noch umstritten, denn es handelt
sich hier nicht um das bekannte „Brüten“ wie in der Vogelwelt, sondern um eine
Art Brutpflege, bei der das Weibchen die Eier bis zum Schlüpfen der
Jungschlangen bewacht und sie mit ihrem Körper bedeckt und so vor
Temperaturschwankungen schützt. Die Mutterschlange bekommt durch eine Art
Muskelzucken eine höhere Körpertemperatur. Sie verläßt ihre Eier nur, um zu
trinken. Während dieser Zeit nimmt das Weibchen keine Nahrung auf und häutet
sich auch nicht. Trächtige Boas verweigern ebenfalls jedes angebotene Futter.
Oberhaupt sind die Hungerkünste der Riesenschlangen enorme Leistungen. Ein
großer Python soll angeblich jahrelang freiwillig gehungert haben. Wenn solche
Zeitspannen auch die seltenen Ausnahmen sind, ein bis eineinhalb Jahre
Fastenzeit sind nicht ungewöhnlich. Die Mehrzahl der Riesenschlangen nimmt auch
totes Futter an. Da sie überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv sind, füttert
man auch zu diesen Zeiten. Verfüttert man lebendige Beute, was bei schlechtem
Fressen angebracht sein kann, so ist diese um den Futtertierbestand zu schonen,
falls sie nicht angenommen wurde, nach wenigen Minuten wieder zu entfernen.
Keinesfalls dürfen lebende Ratten oder Mäuse über Nacht im Terrarium bleiben.
Diese zerstören nur die Einrichtung, verunsichern die Schlangen, ja sie nagen
diese unter Umständen sogar an. Befinden sich mehrere Schlangen im Terrarium,
muß man so lange dabeibleiben, bis auch das letzte Futtertier vollständig
verschlungen wurde.
Sonst kann es
leicht vorkommen, daß sich zwei Schlangen in das gleiche Futtertier verbeißen
und sich dann gegenseitig, umschlingen. Das schwächere Tier wird dabei
erdrosselt und manchmal, wenn es von geringer Größe ist, gleich mitgefressen.
Wärmebedürftige Schlangen, dazu zählen alle Riesenschlangen, können ohne
weiteres kühlere Nachttemperaturen ertragen. In der Regel sollte die Temperatur
nachts nicht unter 20°C sinken. Während der Zeit, wo sie verdauen, muß die
Temperatur deutlich über 20°C liegen. Darum darf man ein paar Tage nach der
Fütterung die Temperaturen nur wenig senken. Bei kühleren Temperaturen kommt
die Verdauung ins Stocken, und das erst teilweise verdaute Futtertier wird in
vielen Fällen ausgewürgt. Dies ist weder für die Schlange noch für den
Terrarianer angenehm und sollte möglichst vermieden werden. Auch ein Zuviel an
Futter, besonders auf die Dauer, ist nicht gut. Eine Schlange mit einer Figur
wie eine prallgefüllte Leberwurst ist nicht schön, außerdem wird ihre
Lebenserwartung geringer. Riesenschlangen haben in einem Terrarium kaum die
Möglichkeit, größere Strecken abzukriechen oder Baum- und Buschhindernisse zu überwinden.
Es fehlt ihnen an Bewegungsfreiheit. Dies kann zur Verfettung führen. Der
Pfleger tut also gut daran, wenn er seinen Pfleglingen eine sorgfältige
optimale Ernährung zuteil werden läßt. Es reicht eine Fütterung alle 14Tage,
bei Jungtieren, abgemagerten oder gar kranken Exemplaren muß man die
Zeitabstände auf 7-10 Tage verkürzen. Vor der Häutung füttert man besser nicht,
die Nahrung würde auch mit Sicherheit von ihnen verweigert werden. Um eine
Riesenschlange an den Umgang mit Menschen zu gewöhnen, nimmt man sie aus dem
Terrarium heraus und beschäftigt sich öfter mit ihr. Hat die Schlange gerade
gespeist und einen vollen Magen oder steht sie kurz vor der Häutung, dann wird
sie sich gegen dieses Anfassen mit Fauchen und Beißen zur Wehr setzen. Dann stört
man sie besser nicht. Was bei der einen Schlange Wohlbehagen erzeugt, kann
einer anderen (besonders Nattern) zuwider sein und als Streß empfunden werden.
Dieser Angststreß kann sogar zum Tode führen.
Abgott- oder Königsschlange
(Boa constrictor)
Die bei weitem
bekannteste Riesenschlange ist die Abgottschlange. In mehreren Rassen ist sie
über ein großes Gebiet verbreitet, das sich von Mexiko bis zum nördlichen
Argentinien erstreckt. Dabei zeigt sie ein erstaunliches Anpassungsvermögen an
ihren Lebensraum, denn sie kommt in den trockenen Steppen ebenso vor wie im
tropischen Regenwald. Ihre maximale Länge beträgt 3 m, selten 4 m, das maximale
Gewicht 60 kg. Die durchschnittlichen Werte liegen aber darunter, eine 2,5 m
lange Abgottschlange wiegt etwa 14 kg.
Von den größeren
Riesenschlangen ist die Abgottschlange am empfehlenswertesten zur Haltung im
Terrarium. Sie wird nicht zu groß, geht willig ans Futter und ist in der Pflege
nicht anspruchsvoll. Als Jungtier ist sie etwas bissig, mit zunehmendem Alter und
zunehmender Größe wird sie jedoch ruhiger.
Jungtiere kann
man gut in einem bepflanzten Terrarium halten. Gerne“sitzen“ sie im reichlich
verzweigten Geäst und lassen die Pflanzen unbehelligt. Nach etwa einem Jahr,
wenn sie schwer geworden sind, muß man sie zwangsläufig umsiedeln. Die
Einrichtung des großen Terrariums besteht in der Hauptsache aus einem
kräftigen, verzweigten Kletterast und einem Wasserbehälter. Als Bodengrund, der
nur mäßig feucht gehalten werden sollte, nimmt man ein Torf-Sandgemisch. Die
Temperatur darf tagsüber bis 30°C steigen und nachts auf 20°C sinken. Unter
2O°C sollte die Nachttemperatur nicht liegen. Als Nahrung kommen für Jungtiere
kleine Mäuse in Frage. Mit zunehmender Größe bietet man auch größere
Futtertiere an: Mäuse, Hamster, Ratten, Meerschweinchen und kleine Kaninchen.
Geflügel wird auch angenommen, jedoch nicht immer so gern wie Kleinsäuger.
Da Boas lebende
Junge zur Welt bringen, ist die Nachzucht nicht schwer. Ein paar Wochen nach
der Kopulation stellt das Weibchen die Nahrungsaufnahme ein. Die Tragzeit
beträgt etwa neun Monate, dann werden 30-45Junge abgesetzt, die
durchschnittlich 50cm lang und 40Gramm schwer sind. Die Abgottschlange wurde
schon wiederholt erfolgreich nachgezogen.
Anakonda (Eunectes murinus)
Die Anakonda
kommt vom Orinokobecken über Guayana bis zum Amazonasgebiet vor. Als halb
aquatil lebende Schlange ist sie eine ausgezeichnete Schwimmerin, an Land ist
sie wesentlich unbeholfener. Sie gehört mit zu den größten Schlangen, Längen
von über 7 m sind verbürgt, jedoch ist bisher keine über l0 m lange Anakonda
gefunden worden.
Ihre Größe und
ihre Vorliebe für das Wasser machen die Pflege in Zimmerterrarien nur im
Jugendalter möglich. Größere Tiere sind in einem Zoo besser aufgehoben.
Außerdem sind die meisten Anakondas bissig; zum Anfassen und „Zähmen“ wie die
Abgottschlangen eignen sie sich nicht. Die Haltungstemperaturen liegen tagsüber
bei 28°C-30°C, nachts bei 22°C, möglichst nicht darunter. Als Futter kommen
Kleinsäuger und Vögel in Frage, wobei sie sehr wählerisch sein kann. Manchmal
werden zum Beispiel jahrelang nur Meerschweinchen angenommen, doch plötzlich
stellt sie sich um, verweigert Meerschweinchen und frißt nur noch Enten. Diese
Geschmacksumstellungen können für einen Terrarianer recht problematisch werden.
In freier
Wildbahn vergreift sich die Anakonda auch an Kaimanen. In der Gefangenschaft
ist es wiederholt vorgekommen, daß sie sich über andere Schlangen hermacht,
diese erwürgt und frißt. Vorsichtshalber sollte man sie daher nur untereinander
vergesellschaften. Die Neigung zum Schlangenfressen besteht schon in der
Jugend, und es ist beachtlich, bis zu welcher Größe mit ihr im Terrarium
lebende Schlangen dann überwältigt werden können.
Gelbe oder Paraguay-Anakonda
(Eunectes notaeus)
Sie stammt aus
dem mittleren Südamerika, wird nur ca. 3 m groß und läßt sich gut halten. Diese
wunderschön gezeichnete Anakonda wird dem Terrarianer selten zu Gesicht kommen,
denn es besteht wegen ihrer großen Seltenheit Ausfuhrverbot.
Grüner Hundskopfschlinger
(Corallus caninus)
Aus den
tropischen Wäldern Südamerikas kommt der Grüne Hundskopfschlinger, eine
typische Baumschlange. In Ruhelage hängt sie auf für ihre Art charakteristische
Weise fest zusammengerollt über einem Ast. Ihre Länge kann bis zu 2 m betragen.
Da sie ein etwas
heikles Tier ist, soll nur ein erfahrener Terrarianer solch eine Schlange
erwerben. Voraussetzung für eine erfolgreiche Haltung ist ein geräumiges, gut
bepflanztes, feuchtes Terrarium. Ihren Stammplatz auf dem dicken Kletterast
verläßt die Schlange bei Tage kaum. Fast unbeweglich sitzt sie da, erst in der
Nacht wird sie munter und aktiv. Die sonst sehr ruhige Schlange kann bei
Störungen bissig werden und mit ihren langen Vorderzähnen - die zum Ergreifen
von schlafenden Vögeln geschaffen sind schmerzhafte Wunden reißen. Die Zähne
müssen bei dieser Art so lang sein, weil sie das Federkleid eines Vogels
blitzschnell durchdringen und den Vogelkörper erfassen müssen. Also Vorsicht
vor dem Gebiß dieser Riesenschlange! Am Tage sind 26-30°C die richtige
Pflegetemperatur, die man nachts um etwa 5°C abkühlen läßt. Entgegen den
Gewohnheiten der meisten Riesenschlangen nimmt der Hundskopfschlinger auch im
Terrarium fast nur lebende Beute an. Bevorzugt werden entweder Ratten oder
Vögel. Bemerkenswert ist, daß der Kot oft wochenlang zurückgehalten, dann aber
in großer Menge, bevorzugt ins Wasser, abgegeben wird. Die Nachzucht im
Terrarium ist schon wiederholt gelungen, sie muß aber als großer Glücksfall
gelten, denn sie zählt zu den Ausnahmen. Die Jungtiere sind auf der Oberseite
nicht so sattgrün wie die Eltern, sondern rostbraun gefärbt. Erst nach mehreren
Häutungen bekommen sie deren Aussehen. Anderen Schlangen tut der
Hundskopfschlinger nichts, man sollte ihn jedoch nur mit ebenso ruhigen,
kleineren Schlangen zusammensetzen. Der Hundskopfschlinger wird leicht mit dem
Baumpython verwechselt.
Dunkler
Tigerpython
(Python molurus bivittatus)
Aus den Wäldern
von Indien und Ceylon kommt der bis 5 m lange Helle Python oder Tigerpython
(Python m. molurus), Er gilt als gutmütiger und leicht zu haltender Pflegling.
Da er völlig geschützt ist, ist ein Erwerb kaum noch möglich. Die dunkle
Unterart , siehe Bild Python molurus
bivittatus) dagegen wird noch, wenn auch selten, angeboten. Sie stammt aus
Burma und dem indoaustralischen Raum und soll bis 8 m lang werden. In der
einschlägigen Literatur wird sie als bösartiger und empfindlicher als der Helle
Python beschrieben. Jedoch sind auch gegenteilige Erfahrungen schon gemacht
worden, und mehrere Dunkle Pythons haben sich als ruhige, ja zahme
Terrarienbewohner erwiesen. Aber trotzdem muß man in der Empfehlung zur Haltung
Einschränkungen machen, nämlich wegen der möglichen Größe und einer direkt
unheimlichen Wachstumsgeschwindigkeit. Im Alter von fünfeinhalb Jahren
erreichte ein weibliches Tier eine Länge von 460 cm und ein Gewicht von 45 kg,
was bei unverminderter Freßlust gleichbedeutend mit weiterem kräftigem Wachstum
ist.
Die
Terrariengröße muß der enormen Körpergröße der Schlange Rechnung tragen. Die
Haltungstemperaturen können tagsüber bei 28-3O°C liegen, nachts sollen sie auf
24-26°C absinken. Wenig wählerisch ist er in der Futterannahme; alle Arten Kleinsäuger,
von der Maus bis zum Kaninchen, ebenso Tauben, Hühner und Enten werden gierig
verschlungen.
In einem
entsprechend großen Terrarium ist die Zucht möglich. Auch hier „brütet“ das
Weibchen im Normalfall die Eier selbst aus. Stimulierend auf die Fortpflanzungswilligkeit
wirkt eine vorübergehende Trennung der Geschlechter und eine Senkung der
Temperatur im Terrarium. Sie sollte aber nicht unter 20°C sinken.
Selbstverständlich darf während dieser Zeit nicht gefüttert werden. Nach ein
paar Wochen erhöht man die Temperatur allmählich, bietet reichlich Futter an
und läßt Männchen und Weibchen zusammen.
Königspython (Python regius)
Eine kaum über
150 cm lang werdende Pythonart, deren Heimat die Wälder Westafrikas sind, ist
der Königspython, auch Ballschlange genannt. Ihren zweiten Namen bekam diese
Schlange wegen ihrer Eigenart, sich bei Gefahr zu einem „Ball“
zusammenzurollen. Den Kopf steckt sie dabei nach innen. Leider lernt sie in der
Gefangenschaft bald, daß ihr keine große Gefahr mehr droht, sie rollt sich dann
nicht mehr so schnell ein, sondern versucht sich durch Beißen zu verteidigen.
Für ein
mittelgroßes, bepflanztes Terrarium ist der Königspython ein dankbarer,
ausdauernder Pflegling. Natürlich müssen Bepflanzung und Kletterast dem Gewicht
und der Größe der Schlange angepaßt sein, was ganz besonders bei den großen
Riesenschlangen wichtig ist. Das Badebedürfnis ist nicht groß, eine Schale mit
frischem Trinkwasser reicht aus. Der Bodengrund ist mäßig feucht zu halten;
vermieden werden muß, daß die Schlange zu lange auf nassem Boden liegt. Da sie
manchmal tagelang unbeweglich liegen bleibt, ist eine Schädigung der
Bauchschienen möglich. Tropische Temperaturen
sind erforderlich: tagsüber 29-30°C, nachts 24°C. Ihre aktive Zeit liegt
in der Nacht. Dann wird auch das Futter (Mäuse, Hamster, Ratten) genommen. Im
Winter legt der Königspython eine mehrere Monate dauernde Fastenzeit ein.
Während dieser Zeit senkt man die Temperatur um einige Grade.