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Der verwegene
Tiger Den Tiger streichelt man nicht,
sagen die Chinesen. Man achtet ihn, man sieht zu ihm auf. Und schon fängt der
Wilde an zu schnurren. So harmlos sind Tiger nicht. Sie gehen auf die Jagd
nach lockenden Zielen, meiden keinen Streit - Kampf ist ihr Lebenselixier.
Tiger sind verwegen, sie schauen weder nach rechts noch links, wenn sie die
Beute wittern. Das macht sie für einen Flankenangriff verwundbar. In Tiger - Jahren Geborene
streben geradewegs nach oben. Sie wollen bewundert werden. Aber es ist nicht
ihre Tüchtigkeit, ihr geistiges Format, das ihrer Mitmenschen Bewunderung
erheischt, es ist die Persönlichkeit, ihr herrisches Auftreten, das sie zum
Führer stempelt. Revolutionären Ideen gegenüber sind sie eher aufgeschlossen
als Leute aus anderen Tierzeichen. Wenn irgendwo Stunk gemacht werden muß,
sind sie dabei. Ihre Autorität ringt selbst den Gegnern Anerkennung ab. Mit Wagemut stürzen sich die
Tiger in den Beruf. Das Leben eines Buchhalters wäre ihm zu eintönig, das
einer Schneiderin ihr zu pingelig. Etwas Aufregung muß auch bei der Arbeit
sein. Man will forschen, kämpfen, entwickeln. Ingenieure sind massenweise
unter den Tigern ( auch weibliche! ) Rennfahrer und Soldaten, Unternehmer und
angriffsfreudige Politiker, Bardamen und streitbare Verfechterinnen der
Emanzipation. Halbes kennen die Tiger nicht, sie gehen stets aufs Ganze. Die Bewunderung, die ihnen
allenthalben entgegenschlägt, macht sie manchmal eitel. Das drückt sich bei
den Damen in übertriebener Putzsucht aus, bei den Herren in süffisanter
Arroganz. Die meisten Tiger jedoch wissen Bewunderung als Gottesgeschenk zu
nehmen und danach zu handeln; sie sind vorbildliche Vorgesetzte, einmalige
Kollegen. Der Beifall spornt sie zu neuen Taten an. Es ist nicht unbedingt ein
Fehler, daß der Tiger immer gegen irgend etwas ist. Das macht ihn in gewisser
Beziehung sogar zum Weltverbesserer, denn Ungerechtigkeit zum Beispiel kann
er auf den Tod nicht ausstehen. Er kämpft auch gegen die bösen Kapitalisten,
aber es ist durchaus möglich, daß er im Kampf für soziale Gerechtigkeit
selbst zum Kapitalisten wird. Das ist das Zwiespältige in der Nachtseele des
Tigers. Man muß den Tigern eine
gehörige Portion Dickköpfigkeit bescheinigen. Das gilt auch für die Liebe.
Tiger jagen ihr Wild solange, bis es erschöpft um Gnade fleht. Sie sind
ausdauernd, können aber auch überzeugen. Nur verlieren sie oft den Spaß an
der Sache. Tiger lieben den Wechsel - im Beruf, bei den Idealen, aber auch in
der Liebe. Ist es da nicht verständlich, wenn viele in Tiger - Jahren
Geborene den Scheidungsrichter aufsuchen? Sie versuchen`s danach noch einmal
und bleiben trotzdem gut Freund mit dem Menschen, von dem man sich trennte.
Tiger sind nicht nachtragend; und überdies wissen sie von dem Quentchen
Schuld, das sie selbst stets auf sich laden. Schicke Tiger - Damen binden
sich oft zu schnell; und dann wissen sie, daß Liebe unglücklich macht. Für
Augenblicke nur - an der nächsten Ecke steht ja schon ein anderer, der ihnen
noch mehr bieten könnte. Sie stolpern gewissermaßen von einem Liebesabenteuer
in das nächste. Und die schönste Bindung geht kaputt, weil man immer wieder
einen findet, der noch besser schien als der vorherige. Einige Tiger werden
erst nach der Lebensmitte vernünftig, manche überhaupt nicht. Viele kuschen
nach genügend Erfahrungen und lassen sich dann zähmen. Man gebe den Tigern,
die man an sich bindet, nur ja ein wenig Auslauf, sonst brechen sie aus und
verschwinden bei Nacht und Nebel. Was Ehepartner an ihren Tigern übrigens
besonders lieben, ist deren Temperament, aber auch die Einfühlsamkeit, mit
der sie auf alles eingehen, was dem anderen Kummer macht. Bei den Tigern kommt es vor
allem darauf an, zu welcher Tageszeit sie geboren wurden. Kinder der Nacht
sind ausgeglichener und fröhlicher als ihre Schwestern und Brüder, die um die
Mittagszeit das Licht der Welt erblickten. Mittagskinder sind unruhiger,
wirken gehetzter. Tiger - Kinder der Nacht wissen um ihre Macht; sie können
sich ungesehen auf die Beute stürzen. Tiger sind tapfere Gesellen,
aber sie suchen auch ständig das Risiko. Und von daher droht ihnen Gefahr.
Sie müßten sich dazu zwingen, ruhig zu überlegen, alles genau zu durchdenken,
bevor sie zur Tat schreiten - aber welcher Tiger kann schon ruhig bleiben in
dieser unruhigen Welt? ©2001, design and realization by m.schweiger |
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