Hahn

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Der stolze Hahn

 

Ihre Haltung ist gerade, ihr Blick oft durchdringend, ihr Gehabe königlich: Die stolzen Hähne wollen von ihrer Umwelt verehrt werden. Man soll sie sehen, jeder Zoll ein Mensch, der erhaben ist über alle anderen. Hähne lieben den Pomp, ein mit wertvollen Möbeln ausgestattetes Heim und eine Stellung, in der sie auf andere einen gewissen Einfluß ausüben.

Sie könnten oben an der Spitze stehen, wenn sie sich selbst nicht alles so schwer machen würden. Hähne sind harte Arbeit gewöhnt, über die sie allein Erfolge zu erreichen glauben. Aber während sie arbeiten und schuften, läßt sich`s ein anderer wohlergehen und bastelt an seiner Karriere. Nur darum kommen Hähne in untergeordneten Stellungen vor.

Oft suchen sie die Sicherheit als staatlicher Beamter oder Polizist. Sie sind in Friseur - Salons zu finden und im Gaststättengewerbe. Ihre eisernen Nerven befähigen sie zum Arzt und zu anderen Berufen, in denen es blutig hergehen kann. Zum Geld haben sie die gesunde Einstellung, daß man es zum Glück braucht.

Hähne - Geborene sind unermüdlich, wenn es darum geht, sich ein wenig Wohlstand zu sichern, aber sie sind zu stolz, darum zu betteln. Alles wollen sie sich ganz alleine schaffen, niemanden danke sagen. Sie können ihr letztes Hemd verschenken, wollen selbst aber nichts geschenkt haben.

Lob ist für sie das schönste Präsent, das man ihnen machen kann. Sie quittieren es mit hoheitsvoller Geste. Es schmeichelt ihnen, und deshalb fallen Hähne oft auf Leute herein, die mit ihren Schmeicheleien nur das eine erreichen wollen, daß der Hahn blind wird gegenüber den Tatsächlichkeiten und mit aufgeblähten Kamm einherstolziert, während sie ihr trübes Süppchen kochen, in dem sie den Hahn sieden lassen wollen. 

Bis er dann das falsche Pack erkennt und zur Rechenschaft ziehen will, ist es längst über alle Berge oder versucht über neuen Schmeicheleien den Hahn erneut einzulullen. Verstehen Sie nun, warum es Hähne oft nicht weit bringen?

In der Liebe ist das freilich nicht der Fall. Da sind Hahnen - Mann wie Hahnen - Frau gewissermaßen Hahn im Korb. Hier treiben die Schmeicheleien, mit denen sie umworben werden, seltsame Blüten, und die Früchte fallen reif herunter.

Hähne sind exzellente Liebhaber und kriegen auch eine spröde Schöne herum. Wer einen Hahn verfiel, wird selbst dann noch von ihm schwärmen, wenn er ihn verließ, um eine andere - vielleicht auch nur für kurze Zeit - glücklich zu machen. Hahnen - Männer fühlen sich am wohlsten in Gesellschaft von Frauen. Männer sind für ihn lästige Konkurrenten Und darum haben Hahnen - Männer auch nur wenige Freunde, aber die Zahl ihrer Freundinnen läßt sich nicht immer gleich überblicken.

Auch die Hahnen - Frau hat Glück in der Liebe. Aber anders als beim Hahnen - Mann flattert sie nicht von einem zum andern, sondern sucht sich einen festen Freund. Frauen, das sagt ihr der Stolz, können sich auf dem Sektor Liebe eher etwas vergeben als Männer. Sie wird für ihren Ehemann durchs Feuer gehen, ihn umsorgen und ihm, wenn er will, sogar die Füße waschen. Bei aller Fürsorge für den Mann vergißt sie dann die lieben Kleinen, die zur Familie gehören. Hahnen - Frauen sind gute Mütter, aber für ihre Kinder sind sie immer erst in zweiter Linie da, zuerst kommt der Mann den sie lieben.

Hähne sind wißbegierig. Sie würden niemals etwas beginnen, das sie nicht vorher schon eingehend studiert hätten. Sie wollen mitreden können, beweisen, was sie wert sind. Manchmal erscheinen sie dann ihrer Umwelt als rechte Prahlhänse, die überall ihre Nase hineinstecken. Das macht sie unglaubwürdig und läßt sie für Außenstehende arrogant erscheinen. 

Manche Hähne leben risikoreich. Das sind Kampfhähne, die mit ihrer Aggressivität die Mitmenschen vergraulen. Sie schrecken selbst nicht davor zurück, den liebsten Freund zu verletzen. Diese Hähne befinden sich - Gott sei Dank!- in der Minderzahl.

Die meisten Hähne sind bei allem stolzen Gehabe, das sie zur Schau stellen, herzensgut und hilfsbereit. Man sollte ihnen ihre Arbeit lassen, sie ein wenig achten. Niemals sollte man sie herausfordern, damit sie nicht kleinlich reagieren können.

Man lasse den Hähnen auch ihre wenigen Träume, das nur im tiefsten Innern bewahrte romantische Gefühl. Sie haben ja doch ein Leben lang so wenig zu lachen, weil sie ständig irgend etwas zu tun haben. Faulenzen möchten sie schrecklich gern, aber das würde gegen ihre Art sein.

Man lasse sie lachen - sagten wir. Aber lachen sie nur nie über einen Hahn. Er wird es ihnen nicht verzeihen. Geht es um ihn selbst, versteht er keinen Spaß.

Und schließlich sollte man keinem Hahn etwas krumm nehmen. Er meint es nie so ernst, wie er es manchmal sagt. Er hat nur die seltsame Gabe, anzuecken, koste es, was es wolle. Hinterher tut`s ihm leid. Wenn er Verständnis findet, wird er manche schlechte Angewohnheit mit der Zeit verlieren. Denn Hähne sind auch ein wenig das, wozu sie ihre Umwelt macht. Man müßte sie lieben, um zu wissen, was sie im tiefsten Inneren wirklich sind.

 

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